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Verständlichkeit im Programmheft dank einfacher Sprache

Einfach geschrieben und kurz zusammengefasst

Immer mehr Kulturinstitutionen aus den Darstellenden Künsten und der Musik bieten im wichtigsten Kommunikationsprodukt für ihr Publikum, dem Programmheft, auch eine vereinfachte Sprache und kurze Zusammenfassungen an. Wie unterschiedlich dies angewendet wird und welche Ziele erfüllt werden sollen, zeigen die Beispiele von sechs unserer Labelträger.
Vielfältig: Die Programmhefte, teilweise oder ganz in einfacher oder Leichter Sprache, der Labelträger Wildwuchs Festival Basel, Musikfestival Bern, Heitere Fahne, Stanser Musiktage, Sinfonieorchester Basel und auawirleben – Theaterfestival Bern.
© Paola Pitton

Die komplexen und langen Texte seines Programm-Booklets nochmals einfacher und kurz wiederzugeben: Dafür entschied sich das Theaterfestival auawirleben in Bern bereits in seiner Ausgabe 2016. Seither bietet das jährliche Theatertreffen mit in- und ausländischen Produktionen, das während rund zwei Wochen im Frühling stattfindet, nach jedem Stückbeschrieb eine zusätzliche Zusammenfassung. Der Abschnitt ist mit «Einfach gesagt» gekennzeichnet und findet sich sowohl im gedruckten Programmheft als auch online auf der Webseite von auawirleben. «Es widerspiegelt unsere Haltung, dass unser Theater nicht elitär ist», sagt Nicolette Kretz, die künstlerische Leiterin des Festivals.

Die ergänzenden Abschnitte, heisst es im Programm-Booklet, «helfen allen, die Mühe haben, komplexe deutsche Texte zu lesen». Sie richteten sich nicht spezifisch an Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen, an Migrantinnen und Migranten oder an Menschen mit Hörbehinderungen, betont Nicolette Kretz. Vielmehr müsse auch sie als Intellektuelle mit Doktortitel sich beim Lesen gewisser Texte oftmals anstrengen. «Ich verliere schnell den Faden, bin leicht ablenkbar. Ist etwas kurz und bündig zusammengefasst, finde ich es ‘gäbig’. So geht es vielen.» Spreche das Festival damit auch Menschen an, die Probleme haben, sich zu konzentrieren, die nicht gut Deutsch verstehen oder Gehörlose, sei das toll.

Seit 2016 setzt auawirleben einen inklusiven Fokus auf Menschen mit Hörbehinderungen. So arbeitet regelmässig eine gehörlose Praktikantin oder ein gehörloser Praktikant beim Festival, und im Helferteam sind auch Freiwillige mit Hörbehinderungen. Wichtiger als die Zusammenfassungen in einfacher Sprache seien für die Gehörlosen-Community die Videos in Gebärdensprache, die die einzelnen Stücke beschreiben und auf der Webseite des Festivals zu sehen sind, sagt Nicolette Kretz. Auf das Angebot in einfacher Sprache hat sie denn auch viele positive Rückmeldungen von Besuchenden erhalten, die keine besonderen sprachlichen Zugangshilfen brauchen. «Sie waren froh, den Text rasch erfassen zu können, und allenfalls danach noch die längere Fassung zu lesen.»

Verständlich und nuancenreich schreiben

Die Abschnitte «Einfach gesagt» im Programm-Booklet des Theaterfestivals auawirleben sollen all jenen helfen, die Mühe oder keine Lust haben, komplexe deutsche Texte zu lesen.

© Paola Pitton

Nicolette Kretz hat sich ins Thema einfache Sprache eingelesen und verfasst die Stückbeschriebe selber, «mit gesundem Menschenverstand und Sprachkompetenz». Im Zweifelsfall lässt sie diese von Kolleginnen oder Kollegen aus dem Team gegenlesen und passt sie an. Auf die noch einfachere Leichte Sprache verzichtet auawirleben hingegen. Der Aufwand sei zu gross, sagt Nicolette Kretz: Um mit dem offiziellen Signet als solche gekennzeichnet werden zu dürfen, muss Leichte Sprache von einer Fachperson mit kognitiver Beeinträchtigung geprüft werden. «Zudem wäre es nicht kohärent, denn unsere Stücke sind nicht in Leichter Sprache.»  

Die am Festival gezeigten Produktionen sind sprachlich unterschiedlich komplex, einige kommen ohne Sprache aus, andere funktionieren assoziativ oder sind für Kinder geeignet, und es gibt sprachlich hoch anspruchsvolle Theaterproduktionen. Deshalb ist es Nicolette Kretz besonders wichtig, dass auch der Abschnitt in einfacher Sprache das jeweilige Stück widerspiegelt. «Das ist meine Aufgabe als Veranstalterin: Dem Publikum zu vermitteln, was es sehen wird, mit passenden Wörtern und in einer stimmigen Tonalität.» Je nach Stück ziehe sie andere Register, um ein bestimmtes Gefühl zu vermitteln. Und anders als Leichte Sprache erlaube einfache Sprache dies: «Farbe reinzubringen und Attraktivität».

Inhalte leserfreundlich und einfach vermitteln

Mit einer klaren Leserführung und einem farbig umrandeten Kurztext kommuniziert das Sinfonieorchester Basel die Inhalte seines General-Programmhefts 2018/19.

© Paola Pitton

Seit der Saison 2018/19 bietet auch das Sinfonieorchester Basel zusätzliche Zusammenfassungen in einfacher Sprache in seinem General-Programmheft an. Anders als bei auawirleben sind diese jedoch nicht als solche gekennzeichnet. Dabei gehe es dem Sinfonieorchester nicht primär darum, von einer Fachsprache wegzukommen, sagt Andreas Lucco, seit Oktober 2018 Leiter Marketing und Kommunikation beim Orchester. «Wir wollen Inhalte leserfreundlich vermitteln.» Das geschehe einmal mittels Leserführung durch die einheitlich gestalteten Seiten mit passend dosierten Textmengen, unterschiedlichen Schrifttypen und Piktogrammen. Den Hauptaufführungen der Saison ist jeweils eine Doppelseite mit einem ganzseitigen Foto gewidmet. Unmittelbar ins Auge sticht zudem der jeweils unten rechts platzierte, farbig umrandete Kurztext in einfacher Sprache.

«Wer unser Generalprogramm liest, liest es gründlich. Doch rasch einen ersten Eindruck gewinnen zu können, indem man es durchblättert, die Bilder anschaut und die Zusammenfassungen in einfacher Sprache liest, ist angenehm.» Das Sinfonieorchester Basel habe auf die neue übersichtliche Gestaltung viele positive Rückmeldungen erhalten, sagt Andreas Lucco. Er suche aber auch die Kritiker. Eine Herausforderung sei etwa, ästhetisch ansprechend und leserfreundlich zu gestalten.

Deshalb möchte er das General-Programmheft der Saison 2019/20 vorab vom Publikumsrat des Sinfonieorchesters Basel auf seine Verständlichkeit und Lesbarkeit prüfen lassen. Der Publikumsrat aus Interessierten mit und ohne Behinderungen, der seit Mitte 2018 das Orchester berät, soll 2019 um Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen oder Leseschwächen erweitert werden. Und die Kurztexte in einfacher Sprache werden in der kommenden Saison nicht mehr nur im gedruckten Programmheft, sondern auch auf der Webseite des Orchesters zu finden sein.

Als nächster wichtiger Schritt will der Leiter Marketing und Kommunikation die bestehenden Angebote besser bekannt machen, um insbesondere auch Menschen mit kognitiven und psychischen Beeinträchtigungen zu einem Konzertbesuch zu bewegen. Denn neben seinen Sinfonie- und Kammermusikkonzerten und seinen Aufführungen als Opernorchester des Theaters Basel pflegt das Sinfonieorchester Basel zahlreiche niederschwellige Konzertformate. «Wir wollen Behindertenheime und Behindertenorganisationen erreichen, die als Multiplikatoren wirken können. Unsere Botschaft ist: Wir sind bereit für euch!»

Im Laufe des Jahres 2019 wird Andreas Lucco deshalb die Eingliederungsstätte Baselland in Reinach besuchen, in der Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen leben oder arbeiten, ebenso die Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel und eine weitere Behinderteninstitution in der Region, um das Programm des Sinfonieorchesters Basel vorzustellen und mindestens ein Konzert zu empfehlen, das sich besonders gut für Musikinteressierte mit diesen Beeinträchtigungen eignet.

Leichte Sprache als Türöffner

Das zusätzliche, in Leichter Sprache verfasste Programmheft der Stanser Musiktage wird an Behinderteninstitutionen verschickt und kann auf der Webseite des Festivals heruntergeladen werden.

© Paola Pitton

Dass es mit passenden Kommunikationsprodukten allein nicht getan ist, wenn Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen erreicht werden sollen, wissen auch die Stanser Musiktage. Das jährlich stattfindende Festival für Weltmusik, Jazz und zeitgenössische Volksmusik in Stans kooperiert schon seit 2016 vielfältig mit der Stiftung Weidli Stans. Früchte dieser Zusammenarbeit sind beispielsweise die Auftritte der stiftungseigenen Weidli-Band aus Musikerinnen und Musikern mit kognitiven Beeinträchtigungen am Festival und das fulminante Konzert von Profimusikern und Mitgliedern der Weidli-Band an der Ausgabe 2018. Auch wirken Betroffene aus der Stiftung im Helferteam während des Festivals mit.

Darüber hinaus übersetzen Mitarbeitende der Stiftung das Programmheft in eine vereinfachte Sprache, die faktisch dem Niveau der Leichten Sprache entspricht – zumal die Texte von betroffenen Interessierten aus der Stiftung auf ihre Verständlichkeit geprüft werden. Auf einer A4-Seite wird jedes auftretende Ensemble mit höchstens fünf kurzen Sätzen beschrieben, jeder Satz steht auf einer neuen Zeile, Angaben zu Ort, Zeit und Preis sowie ein Foto der Musikerinnen und Musiker vervollständigen die Informationen. Die 150 Exemplare dieses zusätzlichen Programmhefts verschickten die Stanser Musiktage 2018 an sechs ausgewählte Behindertenorganisationen und -institutionen in Nidwalden und den benachbarten Kantonen. Auf der Webseite des Festivals wurde das Programmheft in Leichter Sprache 2018 mehr als 2’000 Mal heruntergeladen. Ein Zeichen dafür, dass auch viele Festivalbesuchende, die nicht auf Leichte Sprache angewiesen sind, das leicht verständliche Kommunikationsprodukt schätzen.

Weil die Zahl der Besuchenden mit Beeinträchtigungen dagegen noch bescheiden ist, möchten die Stanser Musiktage diese besser erreichen und sie als Helfende, Musikerinnen und Musiker und vor allem als Publikum gewinnen. Im Hinblick auf die nächste Ausgabe im Frühling 2019 wird das Festival deshalb auf mehr Behinderteninstitutionen in der Region zugehen als 2018. Das auf 200 Exemplare aufgestockte Programmheft in Leichter Sprache diene dabei als Eisbrecher. «Zentral ist unser persönlicher Begleitbrief, mit dem wir das bisher Erreichte und die Möglichkeiten von Zusammenarbeiten aufzeigen sowie unsere Bereitschaft zu persönlichen Treffen signalisieren», sagt Co-Festivalleiter Marc Rambold. Es brauche Zeit, um ein Vertrauensverhältnis aufzubauen, wie dies über die Jahre mit Mitarbeitenden und Betroffenen der Stiftung Weidli Stans gelungen sei, sagt er. «Doch diese Zeit wollen wir uns nehmen.»

Mit Leichter Sprache das inklusive Angebot bewerben

Der neue Flyer der Heiteren Fahne in Leichter Sprache soll Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen über das inklusive Kulturangebot informieren und einen direkten Austausch ohne Umwege ermöglichen.

© Paola Pitton

Mit dem gleichen Ziel hat die Heitere Fahne in Wabern bei Bern im Februar 2019 ihren ersten Programmflyer in Leichter Sprache an Behinderteninstitutionen im Kanton Bern verschickt. Der Kultur- und Gastrobetrieb ist ein langjähriger Pionier der Inklusion von Menschen mit und ohne kognitive Beeinträchtigungen. Diese wirken unter anderem in der Programmierung der zahlreichen Musikveranstaltungen mit, im eigenen Theaterensemble, oder sie arbeiten als Teilzeitangestellte oder Helfende im Restaurant. «Wir möchten unser breites Angebot von und für Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen besser bekannt machen», sagt Rafael Egloff von der Heiteren Fahne, der den Flyer verantwortet. Den Kulturportier und das Kulturtaxi beispielsweise, die zusammen Betroffenen ermöglichen, abends allein auszugehen und so Behinderteninstitutionen entlasten: Der Kulturportier begleitet die Besucherin oder den Besucher durch einen Kulturabend in der Heiteren Fahne, das Kulturtaxi holt die Person ab und bringt sie wieder nach Hause.

«Um dieser Selbständigkeit Rechnung zu tragen, wenden wir uns an Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen in einer für sie angemessenen Sprache, damit auch hier ein direkter Austausch ohne Umwege möglich wird.» Der halbjährlich erscheinende Flyer enthält besonders gut geeignete Kulturveranstaltungen und Angebote zum Mitwirken in der Heiteren Fahne. Den Text in Leichter Sprache schreibt Rafael Egloff selber und orientiert sich dabei am Programmheft der Stanser Musiktage. Rückmeldungen für den ersten Flyer holte er sich bei der Fachstelle Kultur inklusiv von Pro Infirmis, zukünftig sollen Experten in eigener Sache aus der Heiteren Fahne den Flyer auf seine Verständlichkeit prüfen.

Verschickt wurde der erste Programmflyer an jene Behinderteninstitutionen in der Region, mit denen bereits Kontakte bestehen. Dass dieser dort aufliege oder an Betroffene verteilt werde, reiche jedoch nicht, sagt Rafael Egloff. Mitglieder des Kollektivs der Heiteren Fahne mit und ohne Beeinträchtigungen werden deshalb bei den Institutionen in den nächsten Monaten persönlich vorbeigehen, Mitarbeitenden und interessierten Menschen mit Beeinträchtigungen den Kulturbetrieb und sein Programm vorstellen und persönliche Kontakte knüpfen oder verstärken.

Von Leichter Sprache zu einfacher Sprache

Im Programm-Booklet 2018 platzierte das Musikfestival Bern den Abschnitt in einfacher Sprache prominent am Textanfang und hob ihn durch eine grössere Schrift hervor.

© Paola Pitton

Nicht immer lässt sich die passende Kommunikationssprache auf Anhieb finden. Als Zeichen der Inklusion bot das Musikfestival Bern 2017 in seinem Programmheft erstmals zusätzliche Zusammenfassungen an. Diese waren in Leichter Sprache verfasst und als solche gekennzeichnet, was für Irritation sorgte nicht nur bei den auftretenden Ensembles, sondern auch bei Teilen des Publikums. Der auf drei kurze Sätze in sehr einfacher Sprache reduzierte Inhalt habe nicht immer den Kern der Aussage getroffen, sondern sich auf die Beschreibung der Szenerie beschränkt, sagt Andri Probst, seit Anfang 2018 Geschäftsführer des Festivals. «Zentrale Begriffe entfielen aufgrund ihrer sprachlichen und inhaltlichen Komplexität.» Zudem erwies sich das Programmheft trotz Zusammenfassungen als ein gestalterisch zu komplexes Produkt für Menschen, die auf Leichte Sprache angewiesen sind.

Diese erste Erfahrung mit einem inklusiven Programmheft sei lehrreich und wertvoll gewesen, betont Andri Probst. Denn in der Folge setzte sich das Musikfestival mit den Fragen auseinander, welche Funktionen das Programm-Booklet erfüllen muss und an wen es sich richtet. Das Musikfestival Bern präsentiert und vermittelt alte und zeitgenössische sowie experimentelle und elektronische Musik. Es stehe jedoch nicht nur für anspruchsvolle E-Musik, sagt Andri Probst. Das Festival sei auch niederschwellig; das zeige sich nicht nur an der Programmierung, sondern auch an populären Aufführungsorten wie der Lorrainebrücke oder dem Zytgloggeturm. Man kam zum Schluss, dass das Programm-Booklet als Hauptwerbemittel das Festival als Ganzes darstellen und den Besuchenden präzise vermitteln müsse, was sie erwartet. Auf Schlüsselbegriffe wie zum Beispiel «Zeitempfinden» in einer Zusammenfassung zu verzichten, sei deshalb nicht sinnvoll.

Die Alternative fand das Musikfestival Bern in der Person eines erfahrenen Musikjournalisten, der musikalische Fachdiskurse in eine für interessierte Laien verständliche Sprache zu übersetzen vermag. «Es ist ein schmaler Grat zwischen gerade noch verständlicher Sprache und zu kindlicher», sagt Andri Probst. Der Balanceakt sei für das Programmheft 2018 gelungen. Statt in Leichter Sprache sind die Texte in einfacher Sprache verfasst. Sie sind nicht als solche gekennzeichnet und stattdessen als Zusammenfassungen prominent an den Textanfang gesetzt und durch eine grössere Schrift signalisiert. Danach folgt ein längerer und komplexer Lauftext: Wer mag, liest weiter. Die einheitliche und klare Gestaltung mit einer Doppelseite pro Konzert wirke unterstützend und sei leserfreundlich. «So werden alle Lesenden abgeholt. Das Resultat überzeugte intern wie extern.»

Eher zufällig habe man zudem gemerkt, wie der einleitende Kurztext und das dazugehörende Foto die Verständlichkeit verbesserten, wenn sie sich aufeinander bezogen und eine Einheit bildeten. Dies soll nicht nur im Programmheft der nächsten Festivalausgabe im September 2019 gezielt eingesetzt werden, sondern neu auch für Flyer sowie für Plakate. «Wir erhielten die Rückmeldung von Besuchenden, dass diese bei der Orientierung helfen, um zu den verschiedenen Aufführungsorten in ganz Bern zu gelangen.»

Die komplexe Sprache ist der Zusatz

Dass das ganze Programmheft des Wildwuchs Festivals Basel in einfacher Sprache verfasst ist, begrüssen auch viele Besuchende ohne Leseschwächen.

© Paola Pitton

Ebenfalls für einen Sprachexperten entschied sich 2015 das Wildwuchs Festival Basel, das alle zwei Jahre internationale und lokale Theater-, Tanz- und Musikproduktionen präsentiert. Allerdings lässt Wildwuchs den Autor – ein Schriftsteller, der sich mit einfacher und Leichter Sprache auseinandergesetzt hat – nicht nur zusätzliche kurze Texte schreiben. Das ganze Programmheft ist nur in einfacher Sprache verfasst. «Um Hierarchien zu vermeiden», sagt Gunda Zeeb, die künstlerische Leiterin von Wildwuchs. Es sei eine für sie merkwürdige Abstufung, wenn auf einen Text in komplexer Sprache ein zweiter folge, der den Inhalt in wenigen Sätzen gleichwertig erklären soll. «Das funktioniert für mich nicht.»

Wenn man sich damit beschäftige, merke man, dass man einfacher formulieren könne. «Nur gibt es im Kulturbereich oft eine Codierung, bei der man gerne mit komplizierten Begriffen agiert.» Das Team von Wildwuchs stellte dagegen ein paar Regeln auf: maximal sieben Wörter pro Satz, Fremdwörter weglassen und Kompliziertes erklären. Das erste Programmheft in einfacher Sprache wurde zudem durch Experten in eigener Sache der Stiftung Wohnwerk in Basel geprüft. Deren Anmerkungen, wie beispielsweise kürzere Sätze schreiben, lange Wörter vermeiden oder zusammengesetzte Begriffe trennen, wurden im folgenden Programmheft 2017 berücksichtigt. Auf der Webseite von Wildwuchs, die seit Februar 2019 barrierefrei ist, sind aus Kostengründen nur die Programmtexte des Festivals in einfacher Sprache verfasst.

Dass das Programm-Booklet ausschliesslich in einfacher Sprache geschrieben ist, weist das Festival nicht eigens aus. «Wir wollten schauen, ob dies den Lesenden überhaupt auffällt», erinnert sich Gunda Zeeb. Das tat es, und die Rückmeldungen – auch aus der Kulturszene – waren grösstenteils positiv.

Trotzdem erweiterte Wildwuchs 2017 das Booklet auf der Webseite um den Button «mehr lesen». Dieser führte zu einem längeren und komplexeren Text. Damit kam das Festival jenen auftretenden Künstlerinnen und Künstlern entgegen, die Mühe bekundet hatten mit der Vereinfachung. «Kulturschaffende machen sich häufig sehr viele Gedanken zu ihren Produktionen, nicht alle fanden sich in den wenigen Sätzen wieder», erklärt Gunda Zeeb den Kompromiss.

Einfache Sprache und Leichte Sprache

Leichte Sprache ist ein Hilfsmittel, sie vereinfacht Texte und macht sie leicht verständlich. Das Regelwerk der Leichten Sprache umfasst definierte Sprach- und Rechtschreiberegeln sowie Empfehlungen zu Typografie und Gestaltung. Das Büro für Leichte Sprache von Pro Infirmis übersetzt Texte in Leichte Sprache und unterscheidet drei Stufen von Leichter Sprache: A1, A2 und B1. Die verständlichste Stufe entspricht dem Leseniveau A1 des europäischen Referenzrahmens. Diese Stufe verwendet sehr kurze, einfache Sätze. Jeder Satz beginnt auf einer neuen Zeile, Schrift und Zeilenabstände sind grösser. Diese stark vereinfachte Form des Deutschen richtet sich an Menschen mit deutlichen Verständnisproblemen, etwa Personen mit kognitiven Beeinträchtigungen. Auf Stufe A2 sind kurze Nebensätze möglich. Die einzelnen Sätze sind zusammenhängend wiedergegeben, und der Text enthält mehr Informationen.

Die Stufe B1 entspricht etwa der einfachen Sprache, einer leicht vereinfachten Form des Deutschen. Einfache Sprache richtet sich zum Beispiel an Menschen, deren Muttersprache nicht Deutsch ist. Das Büro für Leichte Sprache von Pro Infirmis empfiehlt, die Regeln der Leichten Sprache bei allen Stufen einzuhalten und die Texte von der jeweiligen Zielgruppe prüfen zu lassen, um die Verständlichkeit zu sichern. 

www.büro-leichte-sprache.ch

Paola Pitton
Février 2019

auawirleben – Theaterfestival Bern

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