Am Anfang der Jahresschwerpunkte 2018 und 2019 standen im
Museum Tinguely jedoch keine neuen inklusiven Angebote für betroffene Besucherinnen
und Besucher, sondern wiederum eine Beratung: ein Sensibilisierungskurs für
alle Mitarbeitenden – vom Direktor über
die Kuratorinnen und Kuratoren bis hin zu den Angestellten von Bistro,
Besucherbetreuung und Shop. Die erste Schulung fand im Februar 2018 in Gruppen von 15
Personen statt, die Teilnahme war verpflichtend. Gleich dieser erste Kurs kam
einer Wasserscheide gleich, die das Museumsteam in seiner inklusiven Haltung in
ein Davor und ein Danach trennte.
Anders als bei seiner Begehung im November 2017 erzählte der
gehörlose Spezialist der Fachstelle Information, Beratung und Dienste für Gehörlose und
Hörbehinderte Basel an der Schulung auch von sich. Etwa davon, wie er
als Kind vor dem Spiegel übte Wörter auszusprechen, ohne das Ergebnis
überprüfen zu können. Danach versuchten die Museumsmitarbeitenden selber, anderen
von den Lippen abzulesen.
Die Perspektive des Anderen einzunehmen, ist ein wichtiger
Bestandteil der Sensibilisierungskurse: Im darauffolgenden Jahr sensibilisierte
ein Mitarbeiter der Sehbehinderten-Hilfe Basel für die Bedürfnisse von blinden
und sehbehinderten Menschen, indem er die Mitarbeitenden – ausgestattet mit
einer Dunkelbrille – ihr Museum als
blinde Besucherin oder blinder Besucher neu erleben liess. Diese Perspektivenwechsel
machen auch die Leistung nachvollziehbar, die Menschen mit einer Behinderung
tagtäglich vollbringen.
Im Austausch mit den beiden Fachpersonen konnten die Museumsmitarbeitenden aber auch ihre Befürchtungen ablegen, Besucherinnen und Besuchern mit Behinderungen nicht gerecht zu werden, sie zu unterschätzen, Fehler zu machen. Nach den zweistündigen Kursen fanden sie sich gerüstet mit Sachwissen, das sie in gemeinsamen Übungen verankert hatten. Der Perspektivenwechsel und die Beratung habe die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter darin bestärkt, ihr Möglichstes beizutragen, damit Inklusion im Museum gelingt. «Mit den Sensibilisierungskursen haben wir unsere Leute ins Boot geholt», sagt Lilian Steinle. «Die Kurse eröffneten uns neue Gedankenwelten; wir machen uns jetzt Überlegungen, auf die wir vorher nicht gekommen wären.»
Das neue selbstverständliche Engagement bezeugt ein blinder Experte. Vom Museum Tinguely beauftragt, Texte für die Audiodeskriptionen ausgewählter Kunstwerke zu verfassen, war dieser vor der Schulung, die für blinde und sehbehinderte Besucherinnen und Besucher sensibilisieren sollte, im Museum. Bei einem Arbeitsbesuch nach dem Kurs zeigte er sich beeindruckt. Techniker, Besucherbetreuende, Shop- und Bistro-Angestellte hätten alle am gleichen Strang gezogen, er habe sich ausgesprochen willkommen gefühlt, sagte er Lilian Steinle.